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Merk- und denkwürdige Impulse jeglicher Herkunft ohne Schere im Kopf

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Der Herbst, in dem ich Klavier spielen lernte
Hanna Johansen
Bereits gelesen: 39 %
Dokumentation pädagogischer Arbeit (Reihe Grundsatzfragen / Gelbe Schriftenreihe)
Wolfgang Trede, Heinz Henes
Bereits gelesen: 120/280 pages
Erziehungspsychologie. Begegnung Von Person Zu Person
Anne-Marie Tausch, Reinhard Tausch
Bereits gelesen: 26 %
"Die Auswirkungen der Wahrnehmung sprachlicher Darstellungen des Verhaltens legt die nachfolgende Untersuchung nahe. Sie zeigt ferner die Abhängigkeit des Wahrnehmungslernens davon, ob das wahrgenommene prosoziale Verhalten einer Person erfolgreich oder erfolglos ist. Kinder hörten ein Radioprogramm über die Verhinderung von Meutereien in einer Weltraumrakete durch einen Leiter. Eine Gruppe hörte eine Version, in welcher der gruppenorientierte sozialintegrative Leiter erfolgreich war und der autoritäre Führer erfolglos. Andere Kinder hörten die entgegengesetzte Version: Der gruppenorientierte sozialintegrative Leiter versagte und der autoritäre machtorientierte Leiter meisterte das Problem. Bei der Befragung bevorzugten Kinder jeweils den erfolgreichen Leiter. Sie begründeten dies mit seinen Charaktereigenschaften. Kooperativ-sozialintegratives oder autoritär-machtorientiertes Verhalten wurde als erstrebenswert und positiv angegeben, wenn sie einen Führer mit derartigen Eigenschaften als erfolgreich wahrgenommen hatten"
Erziehungspsychologie. Begegnung Von Person Zu Person - Anne-Marie Tausch, Reinhard Tausch

Kap 2; 6%

"Unter Wahrnehmungslernen ist kein bewußtes Nachahmen zu verstehen, auch kein sog. Reflektieren über das wahrgenommene Verhalten. Es ist kein bewußtes willentliches Anstreben eines Vorbildes oder das Kopieren einer Rolle. Deshalb ist der Begriff Wahrnehmungslernen angemessener als die Begriffe Imitationslernen, Identifikationslernen, Nachahmungslernen."
Erziehungspsychologie. Begegnung Von Person Zu Person - Anne-Marie Tausch, Reinhard Tausch

Kap. 2; 6%

"Die Art des gegenwärtigen und zukünftigen Erlebens und Verhaltens von Kindern und Jugendlichen wird dadurch beeinflußt, was sie bei anderen Personen wahrnehmen. Für Erzieher folgt daraus: Wenn sie sich selbst sowie andere Personen der Umwelt so verhalten, wie sie dies bei Kindern und Jugendlichen anstreben, dann können sie bedeutsam das persönliche und fachliche Lernen von Kindern und Jugendlichen fördern.

Allgemeine Charakterisierung. Das Erleben und Verhalten von Personen wird bedeutsam beeinflußt und ändert sich dadurch, daß sie das Verhalten anderer Personen wahrnehmen. Hierdurch wird ihr Erleben und Verhalten dem wahrgenommenen Verhalten anderer Personen teilweise ähnlicher. Die Art, wie Menschen sich sozial, gefühlsmäßig und intellektuell verhalten sowie die Art ihres Erlebens ist wesentlich beeinflußt durch das Wahrnehmungslernen. Sie nahmen vorher bei anderen Personen deren Erleben und Verhalten wahr oder stellten sich dieses anhand sprachlicher Beschreibungen in Lesestücken, Büchern oder Gesprächen vor.

Für die Erziehung und Unterrichtung ist bedeutsam: D Kinder und Jugendliche werden deutlich durch das Verhalten beeinflußt, das sie bei ihren Mitmenschen, insbesondere bei ihren Erziehern wahrnehmen. Sie tendieren aufgrund des Wahrnehmungslernens dazu, sich ähnlich wie ihre Erzieher zu verhalten, D Wenn Erwachsene bei Kindern und Jugendlichen die bedeutsamen seelischen Grundvorgänge und die Grundwerte zwischenmenschlichen Zusammenlebens fördern wollen, so ist hierzu der sicherste Weg: Erzieher selbst leben dieses Verhalten. Kinder-Jugendliche können es dann bei den Erwachsenen wahrnehmen und lernen es hierdurch. Allerdings entspricht derzeit das von den Erziehern gelebte Verhalten häufig nicht denjenigen Grundwerten menschlichen Zusammenlebens, die sie bei ihren Kindern und Jugendlichen fördern möchten."
Erziehungspsychologie. Begegnung Von Person Zu Person - Anne-Marie Tausch, Reinhard Tausch

Kap 2; 6%

"Erziehung ist ein gegenseitig befriedigendes, das bedeutsame Lernen und die Persönlichkeitsentwicklung förderndes Zusammenleben von Menschen. Personen mit vielfältigen Erfahrungen, gewissen Fähigkeiten, mit Zeit und Interesse sind bemüht, durch ihre eigene Person jüngere oder andere Personen zu fördern und ihnen zu helfen, zu lernen und sich fortzuentwickeln. Und zwar in Richtung der psychosozialen Lebenswerte und in Richtung wesentlicher psychischer Grund:orgänge. Den konkret gelebten zwischenmenschlichen Beziehungen kommt hierbei eine hohe Bedeutung zu. Sie sind zu einem wesentlichen Teil Erziehung.


Bei dieser Charakterisierung tritt der Begriff „Erziehung“ weitgehend in den Hintergrund oder kann ganz fortfallen zugunsten des Aspektes eines gegenseitig befriedigenden humanen Zusammenlebens und der Förderung von Personen. Es ist also eine helfende, erleichternde und fördernde Beziehung von Erwachsenen zu Jugendlichen. Und möglichst auch umgekehrt: Je offener, gleichwertiger, echter und gegenseitig verstehend sowohl Erwachsene als auch Jugendliche sind, um so mehr wird auch die Persönlichkeit von Erziehern und Lehrern durch ihr Zusammensein mit Jugendlichen gefördert."
Erziehungspsychologie. Begegnung Von Person Zu Person - Anne-Marie Tausch, Reinhard Tausch

Kap 1; 5%

"Unsere Wertauffassungen gründen sich wesentlich auf die Ethik der sozialen Reversibilität, der sozialen Umkehrbarkeit: Ein befriedigendes Zusammenleben von Menschen ist häufig dann gegeben, wenn jede Person so gegenüber anderen Personen handelt, als wäre sie die andere Person, die von ihrem Verhalten betroffen wird."
Erziehungspsychologie. Begegnung Von Person Zu Person - Anne-Marie Tausch, Reinhard Tausch

Kap. 1; 5%

"Die folgenden 4 psychosozialen Grundwerte menschlichen Zusammenlebens sehen wir als bedeutsamer an als hohe Erziehungsziele und ideale Persönlichkeitsmerkmale: Selbstbestimmung einer Person Achtung der Person Förderung der seelischen und körperlichen Funktionsfähigkeit einer Person Soziale Ordnung. Diese 4 Grundwerte charakterisieren deutlich und überschaubar die allgemeinen psychosozialen Qualitäten menschlichen Zusammenlebens. Ferner: Sie sind fortlaufend konkret lebbar, von anderen wahrnehmbar und unmittelbar gefühlsmäßig erfahrbar. Sie schließen, wenn sie gelebt werden, inhumanes Verhalten weitgehend aus. Diese 4 Grundwerte sehen wir als Werte des Zusammenlebens in der Erziehung und Unterrichtung an. Sie beeinflußten unsere Fragestellungen und Forschungen.


In fast jeder Situation der Erziehung und Unterrichtung kann festgestellt werden, inwieweit Erwachsene gegenüber Jugendlichen entsprechend diesen Grundwerten handeln. Erwachsene haben keine Ausrede mehr, daß sie inhuman, dirigistisch und mißachtend sein müßten, um hochwertige, ferne Erziehungsziele zu erreichen. Ferner wird der Begriff Erziehung“ weitgehend entbehrlich. An seine Stelle treten die Grundwerte menschlichen Zusammenlebens. Diese Grundwerte sind ebenfalls gültig in anderen zwischenmenschlichen Bereichen, so zwischen Ehepartnern, zwischen Personen in Betrieben oder zwischen Freunden. Das Zusammenleben von Erwachsenen mit Jugendlichen ist so nicht mehr wesentlich unterschiedlich von den Grundwerten des Zusammenlebens anderer Erwachsener. Diese Grundwerte verhindern, daß Erziehungsziele und Werte anderen mit Gewalt aufgezwungen werden. Und letztlich: Wenn Jugendliche durch das Verhalten ihrer Erzieher fast fortlaufend über l½ Jahrzehnte diese Grundwerte erfahren und wahrnehmen, so werden sie ihrerseits später in anderen zwischenmenschlichen Beziehungen diese Grundwerte in größerem Ausmaß leben und anderen ermöglichen.


Wichtig ist folgendes: Für ein befriedigendes Zusammenleben von Menschen ist das gleichzeitige und fortlaufende Vorhandensein der 4 psychosozialen Grundwerte entscheidend. Das Zusammenleben wird beeinträchtigt, wenn Personen Partnern nur ein oder zwei Grundwerte gewähren oder für sich in Anspruch nehmen, andere aber vernachlässigen. Wenn also z. B. Erwachsene den Jugendlichen Selbstbestimmung gewähren, aber bei ihnen nicht den Grundwert der seelischen Funktionsfähigkeit fördern. Oder wenn Jugendliche ihrerseits Selbstbestimmung für sich fordern, und dabei den Grundwert Achtung der Person bei anderen verletzen oder keine sozialen Ordnungen respektieren oder sich nicht um die Förderung ihrer eigenen Leistungsfähigkeit bemühen."
Erziehungspsychologie. Begegnung Von Person Zu Person - Anne-Marie Tausch, Reinhard Tausch

Kap 1; 3%

"Rogers (1951, S. 387):
Eine Person strebt intelligent und selbständig die Ziele an, die ihrer persönlichen Befriedigung dienen, aber den Interessen der Gemeinschaft nicht zuwiderlaufen, sondern diese häufig fördern.

Eine Person übernimmt die Verantwortung für die eigenen Handlungen.

Eine Person handelt sozial reversibel gegenüber anderen. Sie handelt so, als ob sie selbst der andere wäre, der von ihren Handlungen und Maßnahmen betroffen wird.

Eine Person arbeitet mit anderen Menschen kooperativ und effektiv in der Bewältigung von Problemen zusammen, nicht in erster Linie um den Beifall und die Anerkennung anderer zu erlangen, sondern aufgrund der eigenen sozial akzeptierbaren Motive und Ziele.

Das Erleben und Verhalten einer Person ermöglicht anderen Personen häufig ein angemessen prosoziales, gefühlsmäßiges und intellektuelles Wahrnehmungslernen.

Eine Person nimmt die wesentlichen Beeinträchtigungen des eigenen Lebens und des Lebens anderer wahr sowie die verursachenden Bedingungen (verursacht durch sie selbst, durch andere Personen, durch Institutionen oder durch äußere Sachverhalte). Sie schafft gerechtere, befriedigendere Bedingungen für andere und für sich selbst.

Eine Person erwirbt Kenntnisse, die für die Lösung der im menschlichen Leben auftretenden Probleme relevant sind.

Bei den Problembewältigungen einer Person wird die Vielzahl ihrer vorhandenen Erfahrungen frei und schöpferisch wirksam.

Eine Person verzichtet beim Anstreben der eigenen Ziele und der Ziele der eigenen Gruppe auf psychische und physische Gewalt sowie auf Manipulation.

Eine Person kann in kritischer Weise lernen und zu den Beiträgen anderer Personen in angemessener Weise Stellung nehmen.

Eine Person kann ihre eigenen Erfahrungen, andere einfach verständlichen Form mitteilen.

Eine Person kann sich flexibel und intelligent auf neue Situationen und Probleme einstellen.

Eine Person plant das eigene Leben unter dem Gesichtspunkt der Vergänglichkeit durch den Tod."
Erziehungspsychologie. Begegnung Von Person Zu Person - Anne-Marie Tausch, Reinhard Tausch

Kap 1; 3%

"Manche Erzieher rechtfertigen ihr inhumanes oder beeinträchtigendes Verhalten mit der Aussage, daß sie hohe Erziehungsziele zu erreichen suchen. Auch in der Geschichte haben hohe Ideale, vertreten durch rigide und dogmatische Personen, häufig zu großem Unglück und seelischer Beeinträchtigung vieler Menschen geführt. Hohe Ideale waren des öfteren ein Grund, Menschen zu Tausenden zu töten."
Erziehungspsychologie. Begegnung Von Person Zu Person - Anne-Marie Tausch, Reinhard Tausch

Kap 1; 3%

"Besonders irritierend war für uns, daß die Art des Verhaltens von Lehrern und Erziehern oft so erheblich unterschiedlich war von dem Verhalten, das sie als wünschenswert angaben und das sie anstrebten. [...]
Wir erfuhren, daß bestimmte Qualitäten in der Person von Erziehern und Lehrern die entscheidend förderlichen Bedingungen für die konstruktive Persönlichkeitsentwicklung und das bedeutsame Lernen von Kindern und Jugendlichen sind."
Erziehungspsychologie. Begegnung Von Person Zu Person - Anne-Marie Tausch, Reinhard Tausch

Kap. 1; 1%

"Der Vollmond stieg in Herrlichkeit über der Stadt auf, und alle Hunde der Stadt begannen, den Mond anzubellen.
Einzig ein Hund bellte nicht, und er sprach zu den anderen mit tief ernster Stimme: »Weckt nicht die Stille aus ihrem Schlafe, noch bringet den Mond auf die Erde mit eurem Gebell!«
Da hielten alle Hunde in ihrem Bellen inne und verharrten in ehrfürchtiger Stille. Doch der Hund, der zu ihnen gesprochen hatte, hörte den ganzen Rest der Nacht nicht auf, um Stille zu bellen."
Der Wanderer. Seine Gleichnisse und Erzählungen - Kahlil Gibran

Der Vollmond; 62%

"Jeder Einzelne von ihnen hat dir erzählt, was tatsächlich der Fall war; doch nur wenige von uns sind imstande, verschiedene Tatsachen zusammenzufügen und daraus eine Wahrheit zu bilden."
Der Wanderer. Seine Gleichnisse und Erzählungen - Kahlil Gibran

Das Feld von Zaad; 57%

"Vor langer Zeit herrschte ein großer König, und er war weise. Und es verlangte ihn, seinen Untertanen Gesetze zu geben.
Er berief eintausend weise Männer aus eintausend verschiedenen Stämmen in seine Hauptstadt, auf dass sie die Gesetze festlegten.
Und all dies geschah wie befohlen.
Doch als die tausend Gesetze, auf Pergament geschrieben, dem König vorgelegt wurden und er sie las, da weinte er bitterlich in seiner Seele, denn er hatte nicht gewusst, dass es in seinem Königreich eintausend verschiedene Formen von Verbrechen gab.
Dann rief er seinen Schreiber zu sich, und mit einem Lächeln auf den Lippen diktierte er selbst Gesetze. Und es waren lediglich sieben.
Da verließen ihn die eintausend weisen Männer im Zorn und kehrten mit den Gesetzen, die sie aufgeschrieben hatten, heim zu ihren Stämmen. Und jeder Stamm befolgte die Gesetze seines weisen Mannes.
Und daher haben sie noch heute eintausend verschiedene Gesetze.
Es ist ein herrliches Land, aber es hat eintausend Gefängnisse, und die Gefängnisse sind voll von Frauen und Männern, die gegen eintausend Gesetze verstießen.
Es ist wirklich ein herrliches Land, aber seine Menschen sind die Nachfahren von eintausend Gesetzgebern und lediglich einem einzigen weisen König."
Der Wanderer. Seine Gleichnisse und Erzählungen - Kahlil Gibran

Gesetze und Gesetzgebung, 48%

"Mein Kind, die Liebe zwischen Dir und mir ist bedingungslos. Wir werden uns vielleicht unwissentlich verletzen, die Entscheidungen der jeweils anderen, Freunde und Vorlieben missbilligen, aber egal, was geschieht, Du kannst Dich auf mich verlassen. Egal, wie alt Du bist, Dein Kummer wird auch mein Kummer sein, Dein Glück meine Freude. Die Liebe zwischen einem Mann und einer Frau ist kein Riesenbetrug, wie Oriana behauptete, aber sie ist nicht bedingungslos. Sie hängt davon ab, ob die Chemie stimmt, ob Ihr zusammenpasst, ob Temperament, Lebensstil, ja sogar das Einkommen passen, doch wenn Du Dich verliebst und diese Liebe auf Gegenseitigkeit beruht, dann ist das eine überaus mächtige Kraft. Die Liebe zwischen einem Mann und einer Frau kann großzügig sein, und das sollte sie auch. Leider, mein liebes Kind, wirst Du viele Geschichten hören, die von dem Wunsch handeln, sich gegenseitig zu besitzen, zu verändern, zu kontrollieren. Genau das aber tötet die Zuneigung und die Leidenschaft. Wenn Du kannst, vermeide das."
Ich bin eine Nomadin - Ayaan Hirsi Ali, Büro Mihr

Kap. Epilog; 98%

"In der realen Welt führt gleicher Respekt für alle Kulturen nicht zu einem prächtigen Mosaik bunter und stolzer Völker, die friedlich miteinander auskommen und gleichzeitig eine wunderbare kulinarische und kunsthandwerkliche Vielfalt bewahren. Vielmehr entstehen isolierte Inseln der Unterdrückung, der Ignoranz und des Missbrauchs."
Ich bin eine Nomadin - Ayaan Hirsi Ali, Büro Mihr

Kap. Schluss; 94%

"Angst wirkt.
Und so gewöhnen sich die Menschen langsam – und manchmal auch ganz schnell – daran, bestimmte Dinge nicht zu sagen, oder sie vielleicht noch zu sagen, aber ganz sicher nicht aufzuschreiben. Die Spinnenfinger der Selbstzensur schnüren allmählich das Denken des Einzelnen ab, dann ganzer Gruppen, dann die Ideen selbst und das Äußern dieser Ideen. Wenn die freie Meinungsäußerung so zusammenfällt, wenn die Menschen des Westens bestimmte Praktiken, bestimmte Aspekte des Islam nicht kritisieren oder hinterfragen, lassen sie jene Muslime im Stich, die diese Dinge ebenfalls hinterfragen wollen. Sie geben ihre eigenen Wertvorstellungen auf. Dann ist ihre Gesellschaft verloren."
Ich bin eine Nomadin - Ayaan Hirsi Ali, Büro Mihr

Kap 14; 79%

"Sozialarbeiter im Westen werden Ihnen sagen, dass Einwanderer den Zusammenhalt in der Gruppe aufrechterhalten »müssen«, um ihre geistige Gesundheit zu bewahren, denn sonst würden sie verunsichert und ihr Selbstwertgefühl würde zerstört. Das stimmt nicht.
Die Vorstellung, dass für Immigranten der Zusammenhalt in der Gruppe so wichtig ist, trägt vielmehr dazu bei, dass sie als Opfergruppen wahrgenommen werden, die besondere Wohnformen, einen ganzen Wirtschaftszweig, besondere Hilfsmittel und besondere Unterstützung brauchen. Wenn diese Menschen sich an der Kultur ihrer Vorfahren orientieren sollen, folgt daraus, dass man ihnen dabei helfen sollte: mit eigenen Schulen, von der Regierung finanzierten Einrichtungen und sogar mit eigenen Schiedsgerichten. Diese Art von romantisch verklärtem Primitivismus hat der australische Anthropologe Roger Sandall »designer tribalism« genannt: Man geht automatisch davon aus, dass nichtwestliche Kulturen entsprechend den ursprünglicheren, tief im Menschen angelegten Geboten in Harmonie mit Tieren und Pflanzen leben und eine elementare Spiritualität pflegen.
Jetzt kommt etwas, das ich auf die harte Tour gelernt habe, das aber viele wohlmeinende Menschen im Westen einfach nicht einsehen wollen. Alle Menschen sind gleich – aber das gilt nicht für alle Kulturen und Religionen. Eine Kultur, die die Weiblichkeit feiert und Frauen als Herrinnen über ihr Leben sieht, ist besser als eine Kultur, die die Genitalien von Mädchen verstümmelt und sie hinter Mauern und Schleiern gefangen hält oder sie auspeitscht oder steinigt, nur weil sie sich verliebt haben. Eine Kultur, die von Gesetzes wegen die Rechte der Frauen schützt, ist besser als eine Kultur, in der ein Mann völlig legal bis zu vier Frauen gleichzeitig haben kann und den Frauen die Alimente und ihr halbes Erbe verweigert werden. Eine Kultur, die Frauen in ihren Obersten Gerichtshof beruft, ist besser als eine Kultur, in der die Zeugenaussage einer Frau nur halb so viel wert ist wie die eines Mannes. Es gehört zur muslimischen Kultur, Frauen zu unterdrücken, und zu allen Stammeskulturen, Patronage, Nepotismus und Korruption zu institutionalisieren. Die Kultur der westlichen Aufklärung ist besser.
In der realen Welt führt gleicher Respekt allen Kulturen gegenüber nicht zu einem bunten Mosaik farbenprächtiger und stolzer Völker, die friedlich miteinander umgehen und dabei eine wunderbare Vielfalt von landestypischen Gerichten und Kunsthandwerken bewahren, sondern vielmehr zu abgeschlossenen Inseln der Unterdrückung, des Unwissens und des Missbrauchs.
Viele Menschen verspüren echten Schmerz bei dem Gedanken, dass ganze Kulturen aussterben könnten. Ich erlebe das immer wieder. Sie fragen: »Gibt es denn gar nichts Schönes in diesen Kulturen? Gibt es nichts Schönes im Islam?« Natürlich gibt es schöne Bauten, und natürlich ist die Aufforderung zu Wohltätigkeit etwas Schönes; doch der Islam gründet auf sexueller Ungleichheit und auf der Aufgabe individueller Verantwortung und Entscheidungsfreiheit. Das ist nicht einfach hässlich, es ist ungeheuerlich.
Zweifellos hatte die somalische Clankultur einmal ihre wildromantischen Seiten. Die Menschen trugen farbenprächtige Kleidung, hatten einen schwarzen und beißenden Humor, sie kannten Überlebensstrategien in einer lebensfeindlichen Wüstenumgebung, von denen die Welt vielleicht etwas hätte lernen können. Doch die Überzeugung der Multikulturalisten, dass die somalische Clankultur irgendwie bewahrt werden sollte – selbst wenn die Menschen, die sie hervorgebracht hat, sich entschließen, in westlichen Gesellschaften zu leben –, ist die Garantie für soziales Scheitern. Der Multikulturalismus hilft Einwanderern, die schmerzhafte Aufgabe von anachronistischen und unangemessenen Traditionen hinauszuschieben. Er bewahrt die Kunst und die traditionsreichen Handwerke um den Preis, dass er Menschen in korrupten, ineffizienten und ungerechten Gesellschaftssystemen gefangen hält. Er schreibt Armut, Elend und Missbrauch fort."
Ich bin eine Nomadin - Ayaan Hirsi Ali, Büro Mihr

Kap. 14; 76%